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Es klappert(e) die Mühle am rauschenden Bach

Im Wasserdorf Niedersfeld wird seit jeher die Wasserkraft für den Betrieb von Mühlen eingesetzt. Sei es die Ruhrmühle oberhalb des Dorfes, die längst Geschichte ist, sei es das eine oder andere Wasserkraftwerk an der Hille, welches vor sich hinschnurrt oder sei es die vereinte Kraft von Ruhr und Hille, die über den Mühlengraben das große Mühlrad in Bewegung setzen bzw. aus der Wasserkraft den nötigen Strom dafür gewinnt. Zur Karnevalszeit gibt es eine märchenhafte Geschichte, die nicht nur vom Wasser handelt…


Es war einmal ein Müller, der mahlte Korn zu Schrot und Mehl. Das Wasser der umliegenden Berge brachte genügend Kraft auf, um das Mühlrad anzutreiben. So erfreute er tagein und tagaus Mensch und Tier mit seinen Produkten. Und das machte er bald schon 700 Jahre, denn so alt, wie das Dorf an Jahren wäre, so lange drehe sich schon der Mühlstein in der Mühle, so der Müller.

Es begab sich, dass die Geburtsstunde des Dorfes in einer Urkunde niedergeschrieben war. Wissenschaftler fanden diese tief verborgen in den Archiven und machten sie der Öffentlichkeit zugänglich. Auch die Geschichte der Mühle wurde wissentlich der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

So wird es also gewesen sein, dass jene Mühle vielleicht schon vor der urkundlichen Ersterwähnung des Dorfes am Mühlbach stand und das Korn mahlte und dabei klapperte.

Das Dorf an Ruhr und Hille war geprägt von der Landwirtschaft. Reiche Bürger hielten sich eine Kuh im Stalle, wer weniger Taler hatte, musste mit einer Hitte Vorlieb nehmen. Mühsam war der Ackerbau, denn das saure Land, die schiefen Berge und das raue Klima ließen die Saat nicht gut reifen. Und so kam mehr und mehr weniger Korn zur Mühle und in den Mahlstein.

Der Müller schlug dem landwirtschaftlichen Rückbau ein Schnippchen und bot fortan Dinge feil, die der Bürger in Haus und Garten wohlgut einsetzen konnte. Auch für des Bürgers Kleintier gab es reichlich Ware in der Mühle, die fortwährend am Bach stand und noch immer klapperte. Selbst lebend Kleinvieh vermochte der Müller  zu vermitteln. Und so ergab es sich, dass reger Handel in die Straße zog, in der die Mühle stand.

Eines Tages rückten große Ungetüme an und rissen alles weg, wo einst das Pferd die Kutsche hinüberzog und nun der Kautschuk die Karosse sanftrollend hintrug. Es wurde Abend und es wurde Morgen: Dann sprach der Bauleiter: Die Straße erhalte Ablaufrinnen, damit das Wasser, was vom Himmel fällt, den Weg dorthin finde, wo es reiche Frucht bringen könne. So geschah es. Und es wurde Abend und es wurde Morgen. Dann sprach der Bauleiter:  Die Straße soll bedeckt werden mit reinstem Asphalt. Er soll den Menschen beim Befahren und beim Begehen Freude machen, ihnen festen Halt geben und fortan die Straße, in der die Mühle steht, zu einem schönen Ort machen. Und es wurde Abend und es wurde Morgen, der neue Boulevard ward geschaffen. Und der Bauleiter sah, dass es gut war!

Doch die Freude wollte nicht jedermann erfassen, denn des Bauingenieurs Zeichnungen sahen hässliche Absenkungen und Unebenheiten und allerhand Anpassungen vor, die des Müllers Lieferanten nicht gefielen. Wie sollte all die Sackware seinen Weg in die Mühle finden, wenn der Stapler keinen guten Stand fände? Und der Müller sah, dass es nicht gut war und wurde zornig. Und es wurde Morgen und es wurde Abend, aber es ward nicht hell.

Der Müller nahm erst seine Schuhe und dann seinen Unmut, um diesen offen zu zeigen. Man möge doch den Umbau der Straße, in der die Mühle steht, so staplerfreundlich gestalten, so dass fortwährend auch in der Zukunft die Gespanne ihre Ware in der Straße, in der die Mühle steht, löschen können. Zudem müsse er verlangen dürfen, dass durch die Boulevardisierung der Straße, in der die Mühle steht, auch weiterhin, wie in den letzten 690 Jahren, die Ware, die feilgeboten würde, ihren Platz fände. Der Müller schimpfte darüber, dass durch Absenkungen und Unebenheiten, die der Bagger hinterlassen hatte, allerhand Paletten-Stellplätze für Waren fehlten und deshalb die Feilbietung erschwert würde. So verlangte er die Glättung dessen, was abgesenkt und uneben war.

So schilderte es der Bürger aus der Straße, in der die Mühle steht und in der er als Müller sein Leben und seine Arbeit führte auch dem 1. Bürger der Stadt. Er zog ins Rathaus vor seinen Meister der Bürger und schilderte, welch Streich ihm als Bürger hinter jenem Straßenschild gespielt worden sei, in der die Mühle steht. Man möge ihm doch das Wirtschaften wieder erleichtern, in dem man Absenkungen behebe und das Unebene ebnen solle.

Der Bürgermeister hatte ein Einsehen für dieses Verlangen und bat den Baggerführer, das Unebene zu ebnen und das Abgesenkte zu heben. Doch der Baggerführer sah, dass es gar nicht gut war, den Bagger auf fremden Grund zu führen, um dort Senken zu heben und zu ebnen. Er verlangte eine urkundliche Erlaubnis des Müllers. Der Bürgermeister möge den Lehnsherrn bitten, den Bau-Vasallen die Erlaubnis zu erteilen, das Grundstück der Mühle im Rahmen der Hebung der Absenkungen und der Ebnung der Unebenheiten betreten, befahren und in Anspruch nehmen zu dürfen.

Doch ehe die Tinte in die Feder schoss, lehnte der Lehnsherr die Beurkundung ab. Und es verging Zeit, in der viel Wasser durch den rauschenden Bach floss, der an der Mühle fließt, ohne das je ein Strich auf jenes Papier gezeichnet wurde, welches es den Vasallen erlaubt hätte, die Unebenheiten der Straße, in der die Mühle steht, zu ebnen und die Absenkungen, die das Feilbieten der Waren erschwerten, zu heben.

Es wurde Abend und es wurde Morgen. Es wurde Tag und es wurde Nacht. Es wurde Sommer und es wurde Winter. Die Jahre gingen ein und gingen aus. Es war wie mit der Blume auf dem Felde, die aufblüht. Nun fegte aber ein starker Wind über sie hinweg, so war sie nicht mehr da. Dort, wo sie einmal blühte, gibt es keine Spur mehr von ihr. Das Weizenkorn ist in die Erde gefallen und allein geblieben. Es bringt keine reiche Frucht mehr.

Und wenn er es unterschrieben hätte, dann feilböten sie noch heute.

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