Hubert liest – der Saal ist voll: Dorfkultur und Geschichte hörbar und sehbar
WOW! Was für ein Abend! Da hatte das Team der Bücherei den Nerv der Leute getroffen, denn der Einladung zur Autorenlesung mit Förster i.R. Hubert Koch folgten beinahe mehr Interessierte, als in den Hittensaal des Josefshauses passten.
Die Bücherei der Katholischen Kirchengemeinde ist schon seit vielen Jahren, genauer gesagt seit mehr als 125 Jahren, aktiv in Niedersfeld. Seit rund 20 Jahren ist die Bücherei im Josefshaus, dem Dorfgemeinschaftshaus Niedersfeld, untergebracht. Die Kirchengemeinde ist Trägerin der Bücherei. Immer wieder gibt es Aktionen, die das große und engagierte Büchereiteam auf die Beine stellt. So lud die Bücherei jetzt zu einer Autorenlesung mit Förster i.R. Hubert Koch ein.
Für “Förster Huppi” übrigens eine Premiere, wobei man ihm die Aufregung kaum anmerkte. Aber erstmal wurde es eng im Hittensaal des Josefshauses. So rückte die bunte Gesellschaft zu Beginn des Abends erstmal zusammen, bevor die „Kulturfrau“ (Zitat Hubert Koch) Hildegard Geilen im Namen des Teams alle herzlich begrüßte, unter ihnen auch Ortsvorsteher Christian Schmidt. Die Freude über den Andrang war vielen aus dem Team anzunerken.
Schützenhilfe für diesen Abend hatte die Dorfgemeinschaft gegeben. Deren Vorsitzender Florian Schirm, zugleich Ortsheimatpfleger Niedersfelds, sorgte für die technische Unterstützung, denn während der Lesung wurden auch Fotos gezeigt. Zudem sponserte die Dorfgemeinschaft die Getränke des Abends, sehr zur Freude der vielen Besuchenden, die nicht nur aus Niedersfeld, sondern auch weiterher angereist waren.
Hubert Koch, der kürzlich seinen 89. Geburtstag feierte, stellte zu Beginn die Inhalte seines Buches „Von Bäumen und Menschen“ vor, bevor er aus diesem zitierte. Er selbst war und ist Förster mit Leidenschaft, hat dies von seinem Vater und Großvater mitbekommen und es auch an seinen Sohn Matthias weitergegeben, allesamt Förster in Niedersfelder Wäldern. Aus diesen Förstergenerationen gibt es somit viel zu erzählen, weshalb das Buch auch entstanden ist.
Er begann mit dem Kapitel, in dem es um den Wald, die Fichte und den Borkenkäfer geht. Einem brandaktuellen, wenngleich historisch nicht einmaligem Ereignis. Und so lernten die Anwesenden auch einige Wahrheiten und Unwahrheiten über den Borkenkäfer und die Auswirkungen seines gefräßigen Daseins.
Aus „der Jagd des kleinen Mannes“, bei der es der Drossel an die Federn geht, trug Lektorin Hildegard Geilen einige Zeilen vor, deren plattdeutschen Zitate Förster Hubert einfließen ließ. Überliefert wurde, dass es nicht gerade ein Gaumenschmaus gewesen sein soll, wenngleich die Drosseljagd ein Relikt längst vergangener Zeiten ist und die Geschmackserinnerungen entsprechend verblasst sein dürften. Auch den älteren Zuhörern lief also nicht das Wasser im Munde zusammen.
Kultur. Unterhaltung. Geschichte.
Mit seinem gekonnten Witz, dem reichen Wissen und seiner Fachkunde schaffte es Hubert Koch, den vollen Saal diszipliniert zum Zuhören zu gewinnen.
Dabei ging es auch um aktuelle und weltumspannende Diskussionen, die den Blick zurück in die Nazi-Zeiten lenkten. Ging es doch vor wenigen Wochen um einen “Vogelschiss”, der in eine Verbindung eben mit diesen dunklen Zeiten Deutschlands gebracht wurde. So trägt das Büchlein auch ein Kapitel mit dem Titel: „Vom Vogelschiss, der es in die Weltpresse schaffte“. Förster Huppi trug aus seines Gedanken zum Vogelschiss vor und zeigte auf, wie wichtig und fruchtbar doch so ein Vogelschiss für Mensch und Natur sein kann. Sind es doch auch die Exkremente des Vogels, die für eine Vermehrung und Verbreitung der Pflanzen sorgen, denn so ein Vogelschiss enthält nicht selten Samen beliebter und fruchtbarer Pflanzen. So blieb ihm in Erinnerung, dass besonders in der Zeit nach den Kriegswirren die öde Landschaft von manch einem Vogelschiss überzogen wurde und hier und da z.B. die Vogelbeere für bunte und ermutigende Bilder sorgte. Entsprechend deutlich daher auch sein Urteil über jenen gesprochenen Vogelschiss, der der es in die Weltpresse schaffte.
Mensch und Tier wurden auch weiter thematisiert und es wurde festgestellt, dass das Tier seit der Zeit der Höhlenmalerei ein weitaus beliebteres Objekt war, als der Mensch selbst, welcher dieses wiederum erst durch den neuerlichen Selfiewahn umkehrte. Übrigens wurde auch Hubert an jenem Abend “Opfer” eines Selfies gemeinsam mit seiner Tochter.
Wie die Jagd auf den Dachs geschah, warum man ihn so selten sieht und welchen Nutzen dieser Vegetarier mit ausgewogenem, daher auch fleischigem, Nahrungsplan hat, ist den Zuhörern jetzt auch klar.
Es folgte eine Geschichte von Reinecke Fuchs, der sich in einer “höheren Lehranstalt” das “Jagen am Tage” hatte beibringen lassen, um in die “Hühnerkathedrale einzudringen” und in Anwesenheit des Hühnervaters ein Huhn nach dem anderen abführte. Der kluge Jäger legte sich vergeblich auf die Lauer und musste zusehen, wie zunächst der Fuchs das Lockvogel-Huhn mitnahm, es dann nach energischem Eingriff des Hühnervaters zurückließ, um mit einem gewaltigen Sprung über einen hohen Zaun hungrig zum übernächsten Nachbarn zu laufen, damit dort – am helligten Tag – das Mittagsmal beim nächsten Hühnerhalters abzuhalten. So wird doch aus dem Fuchs ein wahrer Schweinehund.
Es ging an diesem Abend auch um Naturkunstwerke, die vornehmlich auf der Hochheide zu finden sind und bildlich in Szene gesetzt wurden. Die Interpretationen des Försters brachten die Anwesenden abwechselnd zum staunen und lachen.
Das Kapitel “Glauben” eröffnete Hubert Koch mit der Geschichte der Linde auf Handes Hof, die glaubte, Tausend Jahre alt werden zu können und damit in die Unsterblichkeit zu gelangen. Das angeschlagene Foto dokumentierte jedoch das Gegenheit, die gewaltige Krone und der noch gewaltigere Stamm fand sein jähes Ende inkleinen Stücken. Das Ende dieser stolzen Linde.
Dem Glaubensthema folgte auch die Erzählung aus der Jugendzeit, in der Hubert seine “dicksten Brocken” auf einen Sündenzettel schrieb, den er anlässlich der Erstkommunionbeichte dem Pfarrer vorlas. Deftige Worte trug das Blatt Papier, weil es doch beim Melken und Kühetreiben eben gegenüber diesen zu heftigen Fluch-Ausbrüchen des jungen Hüters gekommen war. Nichts dagegen soll es aber gewesen sein, als er im Rahmen der Erstkommunionfeier nach Andacht und Kaffeetafel mit der Verwandtschaft zu einem Fußballspiel antrat und er am Ende feststellen musste, dass dieser “wunderschönste und erhabendste Tag des Lebens” ein jähes Ende fand. War doch die militärisch anmutende Mütze, des blinkenden und metallenen Schildes wegen, am Ende des Tages arg in Mitleidenschaft gezogen worden. Beim Torjubel hatte Hubert selbst das Schild entzweit, was ihm nachhaltig – bis heute – zu Schaffen machte.
Wie es war als junger Messdiener, der die Glocken per Hand und den Orgelbalg per Fuß betreiben musste, wenn er Messedienst hatte und wie der Küster Grimassen zog, wenn die Messdiener einen Fehltritt machten, war ebenfalls Gegenstand eines überaus unterhaltsamen Abends.
Und auch aus den Endzeiten des Krieges gab es eine kurze Geschichte, als der kleine Hubert im April 1945 an Ostern am Straßenrand der heutigen Ruhrstraße mit einem Butterbrot in der Hand stand und den nicht enden wollenden Soldatenzug vorbeifahren und -laufen sah. Ausgehungert, kriegsmüde und entkräftet sind ihm die Soldaten in Erinnerung geblieben, die seinerzeit den Befehl hatten, den sogenannten Ruhrkessel von Niedersfeld aus in östlicher Richtung zu durchbrechen. Ein sinnloses und zum Scheitern verurteiltes Unterfangen.
Fazit des Abends: Viel gehört. Viel gelernt. Bestens unterhalten und gestaunt. Eine wahre Freude war der Abend. Der Dank gebührt den Protagonistinnen des Büchereiteams und dem “Star” des Abends Hubert Koch.